Unter Beobachtung – Über Werte, Bewertungen und das Geschenk der Erfahrung
In Zeiten wie diesen sind Werte und Bewertungen zu echten Stars geworden.
Du sollst nicht bewerten – aber du sollst Werte haben!
Viele denken sich: „Na klar!“ Aber erklär mir bitte mal, wie das gehen soll – Werte haben, ohne zu bewerten?
Denn irgendwann hast du Erfahrungen gemacht, die du als gut oder weniger gut eingestuft hast. Du hast sie benannt: Das ist was für mich. Das nicht. Und genau das ist bereits Bewertung. Und vielleicht ist das gar nicht so schlecht – vielleicht ist das sogar richtig wertvoll!
Und wenn wir ehrlich sind – egal ob Frau, Mann oder ganz du selbst: Wie oft bewertest du dich? Dein Aussehen? Dein Verhalten? Deine Leistung? Diese inneren Bewertungen begleiten uns täglich. Doch sie sind nicht nur kritisch – sie können auch Wegweiser sein.
Denn durch sie lernen wir, wichtige Werte in uns zu erkennen und zu meistern:
Geduld, Ehrlichkeit, Mitgefühl, Loyalität…
Aber wie sollen wir diese Werte in uns verankern, wenn wir sie nicht über Erfahrungen und Beobachtung einordnen können?
Bewertung ist nicht gleich Verurteilung
Bewertungen helfen uns zu unterscheiden, zu reflektieren, uns auszurichten. Sie bringen uns weiter.
Was wir aber nicht brauchen, ist Verurteilung. Das ist etwas anderes. Und doch passiert auch das hin und wieder – uns selbst oder anderen gegenüber.
Unsere inneren Bewertungssysteme entstehen durch viele Einflüsse: persönliche Erfahrungen, unser Umfeld, unsere Familie – aber auch genetische Prägungen und kulturelle Regeln. Diese inneren Landkarten geben uns ein Gefühl von Sicherheit. Sie helfen uns, Situationen einzuschätzen.
Doch manchmal verhindern sie auch, dass wir frei eine neue Erfahrung machen können.
Warum bewerten wir überhaupt?
Ich weiß für mich: Ich brauche manchmal diese Einschätzung, um klarer wählen zu können.
Nun bin ich bereits gut darin, aus meiner Inspiration und Freude heraus zu wählen.
Das ist viel schöner.
Aber solange man diesen inneren Weg noch nicht kennt – oder nicht ganz gehen kann – ist das andere ein gutes Werkzeug.
Denn wir machen Erfahrungen. Und jede dieser Erfahrungen bekommt – bewusst oder unbewusst – einen Wert.
Dieser Wert zeigt sich vielleicht als:
Das tut mir gut.
Das gefällt mir.
Das macht mir Freude.
Oder auch als:
Das war schwer.
Das kann ich nicht.
Das mag ich nicht.
Dafür wurde ich kritisiert.
Mir wurde gesagt, das tut man nicht.
Und all diese inneren Bewertungen – dieses gesammelte Wissen – beeinflusst uns weiterhin:
Ob wir neue Erfahrungen überhaupt machen, oder uns selbst unbewusst davon abhalten.
Denn was wir erleben dürfen, was wir als „okay“ empfinden, ist geprägt durch:
Unsere Gesellschaft
Unser Elternhaus
Unsere Schule, unsere Kultur
Diese Prägungen machen es schwierig, wirklich frei aus der Inspiration heraus zu handeln.
Und sie erschweren es auch, eine neue Erfahrung in einem neutralen Raum zu erleben – ohne gleich zu bewerten, zu vergleichen oder in eine Schublade zu stecken.
Wir speichern unsere Erfahrungen oft als Gesamtbild ab. Und wenn später etwas Ähnliches auftaucht, reagieren wir mit diesem alten Bild – als wäre es schon „bewiesen“.
Doch das limitiert uns. Es nimmt uns die Chance, etwas neu, anders oder tiefer zu erleben.
Was wollte ich wirklich lernen?
Wenn du zurückschaust auf eine bestimmte Erfahrung – frage dich mal:
Was wollte ich wirklich lernen?
Warum wollte ich das erleben?
Ging es darum, wie andere auf mich reagieren?
Oder darum, wie ich mich dabei fühle?
Oder wollte ich einfach herausfinden, ob das überhaupt zu mir passt?
Diese ehrliche Rückschau kann dir so viel zeigen.
Denn was du wirklich lernen wolltest, liegt oft tiefer als das, was du vordergründig „getan“ hast.
Und auch das gilt für andere:
Wir bewerten ihre Wege – basierend auf unseren eigenen Erfahrungen.
Doch jeder Mensch spricht aus seinem eigenen inneren Universum.
Nimm es nicht persönlich, wenn dir jemand widerspricht oder dich kritisiert. Es sagt mehr über die Geschichte dieses Menschen aus, als über dich.
Ein und dieselbe Handlung kann für verschiedene Menschen ganz unterschiedliche Lernfelder öffnen:
Der eine lernt ein Instrument, um Rhythmusgefühl zu entwickeln.
Der andere, um sich auszudrücken.
Der nächste, um sichtbar zu werden.
Und wieder jemand, weil es einfach Freude macht.
Und alle haben recht – für sich.
Was wäre, wenn…
…wir diese Freiheit in der Erfahrung zurückgewinnen könnten?
Wenn es okay wäre, den eigenen Interessen zu folgen, ohne Angst vor Verurteilung?
Wenn wir nicht in Vergleichen leben müssten, sondern sagen könnten:
Ich bin gerade dabei, das für mich zu erfahren.
Ja, ich höre die Stimmen: „Wie soll das gehen mit Familie, Kindern, Arbeit, Verpflichtungen?“
Ich weiß – es ist nicht einfach. Wir haben Generationen lang gelernt, uns anzupassen, zu funktionieren, Regeln zu folgen.
Aber: Es ist möglich, im Kleinen zu beginnen.
Frag dich mal:
An einem Ort ohne Bewertung – wie würde ich leben?
Was würde ich meinen Kindern beibringen wollen?
Wo liegt gerade meine Inspiration?
Vielleicht kannst du kleine Dinge in den Alltag integrieren. Oder manche Sichtweisen bewusst loslassen.
Zum Beispiel: Dein Kind dort abholen, wo seine echte Neugier ist – und das fördern, in den Alltag einbauen.
Was wäre, wenn du ermutigt worden wärst?
Wenn deine Fantasie Raum bekommen hätte?
Wenn man dir erlaubt hätte, in deiner Begeisterung zu wachsen?
Wenn Musik dich inspiriert hätte – hättest du tanzen oder spielen dürfen?
Wenn Superhelden dich begeistert haben – hättest du schauen dürfen, welche Kräfte in dir schlummern?
Denn: Auch Zuhören ist eine Superkraft.
Ermutigen ist eine Superkraft.
Mitgefühl. Geduld. Freude. Humor – alles Superkräfte.
Und das alles beginnt mit der Beobachtung deiner Gedanken.
Ich selbst habe so viel erkannt, einfach dadurch, dass ich beobachtet habe:
Wie denke ich über mich? Wo bin ich zu streng? Wo passe ich mich an, um „richtig“ zu sein?
Vielleicht hast du gerade eine kleine Erkenntnis gehabt.
Vielleicht kamen Bewertungen hoch beim Lesen.
Vielleicht fühlst du dich inspiriert oder auch herausgefordert.
Dann hat dieser Text bereits etwas bewirkt – eine Reflexion deiner inneren Welt.
Und jetzt kannst du dich selbst fragen:
Woher kommen meine Einschätzungen?
Wie sind sie entstanden?
Und dienen sie mir noch?
Ich lasse dich jetzt genau da – in der Beobachtung.
Sei dir bewusst: Wenn du deine Sichtweise veränderst, verändert sich dein Leben.
Wenn du Begleitung möchtest – ich bin gerne für dich da.
Mit Freude, Mitgefühl und echtem Interesse an deinem Weg,
Eure Susanne